Datengetriebene Entscheidungen beim Flughafen Wien – besonders in ungewissen Zeiten von COVID-19
Seit März 2020 bringt die COVID-19 Pandemie große Veränderungen mit sich. Die notwendigen Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des Virus haben einen immensen Geschäftsrückgang in vielen Branchen zur Folge – einerseits durch Restriktionen der Regierung, andererseits durch verändertes Konsumentenverhalten. Kaum ein Wirtschaftszweig bleibt hierbei unberührt, doch wenige Branchen hat es so schwer getroffen wie die Tourismusbranche. Wie gewinnt man Sicherheit in unsicheren Zeiten? Der Flughafen Wien hat sich gemeinsam mit The Information Lab dieser Frage angenommen.
Ausgangslage / Fragestellung
Die zentrale Herausforderung war die Ausschöpfung von Umsatzpotenzialen unter gleichzeitig höchstmöglicher Kosteneinsparung, während auferlegte Restriktionen eingehalten werden. Ziel war es, flexibel auf zunehmende Lockerungen der Einschränkungen oder auch deren Verstärkung reagieren zu können, um eine verbesserte Planbarkeit zu ermöglichen.
Hierbei galt es, komplexe Zusammenhänge zu betrachten und ihre wechselseitigen Auswirkungen abzuwägen: Mit wie vielen Passagieren müssen wir rechnen? Bei wie vielen Flügen ist mit Überbuchung zu rechnen? Wie viel früher oder später kommen abfliegende Reisende an den Flughafen? Wie viele Schalter müssen geöffnet werden, um ausreisende Passagiere unter Einhaltung der Abstandsregelungen zu bedienen? Wie können diese Schalter so verteilt werden, dass möglichst wenige Check-in-Bereiche mit Strom unterhalten werden müssen?
Kurzum: Wie können die Wiederaufnahme und zunehmende Normalisierung des Flughafenbetriebs gesteuert werden?
Herangehensweise / Schritte zur Lösung
Der Flughafen Wien ließ sich von The Information Lab Deutschland, dem Experten für Datenanalyse in Europa, beraten. Völlig virtuell steuerte The Information Lab dieses Projekt von der Konzeption bis zum Ergebnis.
In mehrtägigen Workshops half The Information Lab die Fragestellungen zu skizzieren, die sich aus den Folgen von COVID-19 ergaben. Die vorhandenen Analysen wurden evaluiert, Potenziale für neue Analysen aufgedeckt und konkrete Bedürfnisse für Analysen priorisiert.
Anschließend sollten diese Fragestellungen datengetrieben beantwortet werden. Die Herausforderung hierbei: Ein Großteil der bestehenden Auswertungen des Flughafen Wien bieten in Zeiten von Corona wenig Entscheidungshilfe, da diese eine gleichbleibende Entwicklung voraussetzen. Eine Ausnahmesituation wie COVID-19 decken diese Berichte nicht ab. Hier mussten neue Analysen her, um Planungssicherheit zu gewinnen – weg von Standardberichten, hin zu flexiblen Ad-hoc-Analysen.
Diese priorisierten Analysen galt es nahbar und greifbar zu machen. Eine visuelle Umsetzung der Antworten sollte es den Konsumenten erlauben, sofort zu erkennen, wo Potenziale für Effizienzsteigerungen liegen und wo akut weitere Maßnahmen erforderlich sind. Diese Visualisierungen wurde zunächst produktunabhängig konzipiert.
Im nächsten Schritt wurden die konkreten Anforderungen an die Daten erfasst. Sowohl Bestandsdaten als auch externe Datenquellen wurden evaluiert. ETL-Prozesse wurden implementiert, um die vorhandenen Daten zu bereinigen, anzureichern und in eine geeignete Form zu bringen.
Schließlich galt es, die aufbereiteten Daten in die konzipierten Visualisierungen zu überführen, um die konkreten Analysen umzusetzen. Durch die kontinuierliche Projektzusammenarbeit mit The Information Lab konnte höchste Analysequalität gewährleistet werden – auch über die reine Anforderungsabdeckung hinaus.
Lösung / Ergebnis mit Business Value
Als Resultat der Zusammenarbeit mit The Information Lab verfügt der Flughafen Wien nun über eine wartbare und ressourceneffiziente ETL-Strecke sowie über eine Reihe von visuellen, interaktiven Berichten. Damit ist der Flughafen Wien in der Lage, datengetriebene Entscheidungen zu treffen – auch in ungewissen Zeiten von COVID-19. Die erstellten Berichte leisten bereits signifikante Hilfe bei der zunehmenden Wiederaufnahme des Flughafenbetriebs – auch über den Kreis der Ersteller und Projektbeteiligten hinaus!
Viel wichtiger ist jedoch die gewonnene Erweiterung des analytischen Horizontes. Es wurde beispielsweise das Potenzial aufgedeckt, den Servicegedanken intensiver zu verfolgen und sich den Kerngedanken des Flughafenbetriebs in Erinnerung zu rufen: den Kunden. Wie wird sich das Konsumentenverhalten nun ändern? Welche Produkte braucht der Kunde wirklich? Und mit welchen Dienstleistungen kann der Reisende besser betreut werden? Unabhängig von einer technischen Umsetzung wurden Fragen aufgedeckt und Impulse geliefert, die auch langfristig die Entscheidungsprozesse beim Flughafen Wien beeinflussen werden.
INTERVIEW
Analysen sollen Planungssicherheit im absoluten Planungsdunkel schaffen: selten hat ein Leuchtturmprojekt diesen Namen besser verdient. Wir haben mit Kai Westermann gesprochen, Head of Airport Capacity and Optimisation, der für uns die Fragestellungen, Erfolge und zukünftigen Herausforderungen des Flughafen Wien beleuchtet.
The Information Lab: Herr Westermann, stellen Sie sich und Ihren Werdegang beim Flughafen Wien doch einmal kurz vor.
Kai Westermann: Ich bin seit 2016 beim Flughafen Wien beschäftigt, wo ich die Kapazitätsplanung leite. Dazu gehört unter anderem das Reporting für unseren Bereich Operations. In einem Flughafen gibt es sehr viele spezifische Softwarelösungen, die optimiert auf die Planung einzelner Ressourcen zugeschnitten sind. Wenn viele Experten separat ihre Themen bearbeiten, kann man darüber schnell den Blick für das ‚Big Picture‘ verlieren. Für eine umfassende Planung ist es aber wichtiger, zügig einen groben Überblick zu erhalten. Tableau ermöglicht uns genau das. Und wenn wir dann Fragen entdecken, die eine detailliertere Antwort erfordern, können wir mit Tableau in die einzelnen Bereiche reindrillen.
Welche Herausforderungen sind Sie mit Hilfe von The Information Lab angegangen?
KW: COVID-19 hat bei uns zu einer hohen Volatilität in der Planungssicherheit geführt. Der Flughafen Wien beobachtet aufgrund der Corona-Krise einen massiven Rückgang der Passagierzahlen. Im Zuge der Einsparungsmaßnahmen haben wir die meisten Terminalbereiche und ganze Check-In-Hallen geschlossen, um den Energieverbrauch zu minimieren. Wenn wir nun den Flugverkehr wieder aufnehmen, stehen wir vor der Frage, ob wir mit den übrigen Flughafensektionen überhaupt auskommen? Wenn die Leute nun wieder fliegen wollen, können wir das mit der Infrastruktur, die wir aktuell unterhalten, abbilden?
Wir benötigen hier also ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Früher haben wir zweimal im Jahr eine halbjährige Flugplanperiode anhand einer Musterwoche exemplarisch durchgeplant. So lange Planungshorizonte sind in Zeiten von COVID-19 völlig utopisch. Wie geht man mit so einer Situation um?
Wir sind dazu übergegangen, mit Abstrichen im Detaillierungsgrad Flugpläne, die wir täglich erhalten und verarbeiten, mit Tableau darzustellen – sowohl für das Management als auch für die operativen Bereiche. Die Daten, die wir dazu nutzen, stammen aus einer riesigen Datenbank, die erst durch aufwendige Zuarbeit von allen Bereichen Nutzen generiert. Diese Zuarbeit haben wir konsolidiert und können nun tagesaktuelle Berichte zur Verfügung stellen.
Wie gestaltete sich die gemeinsame Herangehensweise mit The Information Lab?
KW: Als wir im vergangenen Jahr Tableau eingeführt haben, sind wir auf The Information Lab als Lizenzpartner in Österreich aufmerksam geworden. Nach einer Basisschulung haben wir allmählich begonnen, einzelne kleine Lösungen zu schaffen. Dabei hat uns der Anwendersupport von The Information Lab viel geholfen, sowohl technisch als auch konzeptuell.
Anfang des Jahres standen wir dann plötzlich vor der Situation, dass es von heute auf morgen keinen Flugverkehr mehr gab. Alle vergangenen Berichte konnten wir komplett einstellen. Langfristige Planungen und Erfahrungswerte aus Vorjahren haben unter COVID-19 einfach keine Anwendung gefunden. Wir haben uns gefragt, wie wir einen Bericht gestalten können, der uns in der aktuellen Situation relevante Informationen zur Verfügung stellt. The Information Lab stand uns hier sofort hilfreich zur Seite. Wir haben gemeinsam konzipiert, wie wir relevante Berichte aufsetzen könnten. Und das Ergebnis haben wir gemeinsam umgesetzt.
Nachdem wir die ersten Berichte im Unternehmen verfügbar gemacht haben, kam immer mehr Interesse auf. Wir konnten die Anforderungen somit besser ausdefinieren und die Analysen optimaler auf die Bedürfnisse der Organisation anpassen. In regelmäßigen Sessions mit The Information Lab haben wir alle Anforderungen über ETL bis Dashboards so in Form gebracht, dass der Flughafen Wien wieder kurzfristig planen kann. Fast könnte man sagen, dass die Krise unserem Reporting-Verhalten geholfen hat – wir hätten nie so viel in so kurzer Zeit entwickelt, wenn nicht die dringende Notwendigkeit dafür bestanden hätte.
Beschreiben Sie den Output, der jetzt beim Flughafen Wien täglich genutzt wird.
KW: Wir haben eine Reihe von Dashboards, die fast das gesamte Planungsportfolio abdecken. Mithilfe unserer Dashboards können wir jetzt zum Beispiel eine Zwei-Wochen-Vorschau über das Flugprogramm gewinnen und können überprüfen, wie viele Check-In-Schalter maximal parallel geöffnet werden und wie viele Gates wir unterhalten müssen. Eine Tagesvorschau für die Check-In-Bereiche hilft uns, die vorhandene Infrastruktur unter Social-Distancing-Gesichtspunkten besser zu nutzen. Bei all diesen und vielen weiteren Analysen war The Information Lab eine große Unterstützung.
Je Terminal (Check-In Zone 1 und Check-In Zone 2) wird auf Tagesebene und auf Basis des erwarteten Passagieraufkommens untersucht, welche maximale Anzahl von Schaltern innerhalb eines Fünf-Minuten-Segments parallel geöffnet sein müsste (unten). Übersteigt das Tagesmaximum die verfügbare Anzahl von Schaltern, wird dies oben in Ampelfarben signalisiert.
Wir konnten durch Tableau sehr viel kürzere und dynamischere Entwicklungszyklen für unser Reporting erreichen. Jetzt können wir innerhalb weniger Stunden einen ersten Prototyp erstellen, können Feedback einholen und iterativ Verbesserungen einarbeiten. Diese Flexibilität hat es zuvor so nie gegeben. Wir planen bereits jetzt sehr viel effizienter und flexibler, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Wenn die Corona-Krise überwunden und wieder ein Maß an Normalität eingekehrt ist, was ist dann die nächste Herausforderung, die für Sie und den Flughafen Wien ansteht?
KW: Als Nächstes wollen wir eine Tableau-Server-Landschaft implementieren und nutzbar machen, damit wir unsere Berichte einem großen Personenkreis zur Verfügung stellen können. Bisher gab es viel Standardreporting, aber keine explorative Datenanalyse beim Flughafen Wien. Wir bewegen uns weg von statischen Berichten, hin zu dynamischen, interaktiven Dashboards. Hier muss ein Kulturwandel her: Die Konsumenten müssen daran gewöhnt werden, wie man die Tableau-Dashboards nutzen kann und welche Formen von Interaktivität es da so gibt.
Wir werden evaluieren müssen, welche COVID-Dashboards wir in den Normalbetrieb überführen können und welche angepasst werden müssen. Für den Moment hat uns die Kooperation mit The Information Lab eine Transparenz gewährt, die uns die Sorge nimmt, sehenden Auges in Probleme hineinzusteuern, die sonst erst im operativen Betrieb aufgetreten wären. Und egal, was davon am Ende der Krise bestehen bleibt – ohne diese Analysen würde die Zukunft um einiges düsterer aussehen.